Inwieweit haben dir deine Englischkenntnisse dabei geholfen?
Natürlich war es sehr gut gewisse Grundkenntnisse im Englischen zu haben, so dass man auf dieses Level zurückgreifen kann. Wenn man dann allerdings in einem Land ist und dort lebt geht es doch sehr schnell. Es ist also immer abhängig von der Motivation, denn wenn man die Leute um sich herum gerne verstehen möchte und arbeiten möchte, dann geht es doch sehr schnell. Man muss dazu natürlich auch sagen, dass es einfach ist Inhalten zum Lernen der englischen Sprache zu erhalten, weil englisch einfach weltweit dominant ist. Man kann beinahe jeden Film auf Englisch ansehen, Audio-Books in englischer Sprache. Das ist natürlich für andere Sprachen nicht in gleichem Maße gegeben. Ich war zu Beginn auch sehr ehrgeizig und wollte, dass man meinen deutschen Akzent nicht mehr hört und das ist mir auch gelungen. Allerdings hat er sich im Laufe der Jahre wieder zurückgeschlichen.
Das Lernen der englischen Sprache vergleiche ich gerne mit Zulu oder Xhosa, die ich hier gelernt habe. Zulu zum Beispiel wird nur hier im Land gesprochen und nur von 50 – 60 % der Bevölkerung. Es gibt übrigens 11 offizielle Sprachen hier, die natürlich nicht so vermittelt werden angesichts der Vorurteile, die leider noch damit einhergehen, d.h. Jahrhunderte der Kolonialherrschaft und ungefähr 100 Jahren Apartheidpolitik. In dieser Zeit war die Sprache sogar verbannt in bestimmten Gegenden oder Berufszweigen. Diese Sprache war für mich wesentlich schwieriger zu lernen, nicht wegen des Schwierigkeitsgrades der Sprache, sondern wegen der Verfügbarkeit.
Ist das Lernen einer Sprache deiner Meinung nach abhängig vom eigenen Mut oder wenn man schlichtweg einfach keine Scheu hat, sich daran zu versuchen?
Auf jeden Fall! Wenn man schüchtern ist oder Angst hat sich zu blamieren, dann tut man sich bei vielem schwerer, dass im sozialen Bereich ausgeübt wird. Wenn man sich selbst nicht so ernst nimmt ist es natürlich viel einfacher.
Du hast erwähnt, dass das Umfeld die eigene Sprachfertigkeit bzw. deinen Akzent beeinflusst hat?
Ich hatte viele Jahre eine englischsprachige Freundin und habe dann auch noch an der UCT in Kappstadt Linguistik, Sprachwissenschaften, Psychologie und Xhosa studiert. Gegen Ende meines Studiums war meine Englisch-Aussprache auf dem höchsten Niveau. Danach hatte ich eine Xhosa-sprechende Partnerin und seit meine Tochter auf der Welt ist, spreche ich mit ihr nur deutsch Zuhause. Ich habe also keine englischen Muttersprachler mehr um mich in meinem täglichen Umfeld und rede mit meiner Tochter deutsch, dadurch hat sich irgendwie mein Akzent wieder zurückgeschlichen.
Zudem gibt es in Südafrika aufgrund der Sprachenvielfalt nicht die eine gültige Aussprache für Englisch, sondern jeder spricht englisch anders. Je nach Sprachhintergrund ist auch immer ein gewisser Akzent gegeben.
Wie sieht denn dein beruflicher Werdegang in Südafrika aus?
Zunächst habe ich viele Jahre mit einer Organisation gearbeitet, die nannte sich „Dance for Life“. Dort beschäftigten wir uns mit HIV/Aids und Sexualkundenaufklärung in einem Peer-Education Programm, d.h. wir haben junge Leute ausgebildet, die dann letztendlich an die Schulen gegangen sind und dort mit 12 bis 16 Jährigen in diesem Bereich zu arbeiten. Das war ein weltweites Projekt und ich durfte in vielen Ländern arbeiten und so wurde unsere Methode mit Bewegung und Motivation mit dem Know-How vor Ort kombiniert.
Bist du noch immer bei dieser Organisation?
Nein. Ich habe dann Vula Youth Development gegründet. Ich mache Motivations- und Teamtraining in der Jugendarbeit mit darstellenden Künsten und Projekte in den Townships. Unsere Werkzeuge sind hauptsächlich darstellende Künste und angeleitete Dialoge. Ich habe dann auch noch Percussions gelernt, habe in Bands gespielt und nach einigen Jahren auch Musik unterrichtet. Das habe ich auch in meine Motivations- und Teambildungsarbeit mit aufgenommen. wir machen Workshops mit Musikinstrumenten, Rollenspielen, Tanz und Bewegung.
Unser wichtigstes und spannendes Projekt, an dem ich arbeite, ist „Habitable Planet Workshop“. Wir beschäftigen uns hier mit Earth System Science und Climate Change (Anm. JG: Erdsystemwissenschaft ist eine interdisziplinäre Wissenschaft, die sich mit der Erforschung des Systems Erde beschäftigt unter einbeziehen aller physikalischer, chemischer, biologischer und sozialer Komponenten, Prozesse und Wechselwirkungen). Ziel ist es jungen, schwarzen Studenten, die bereits im Grundstudium sind, ein breiteres Wissen über den Klimawandeln und sie zu motivieren ihre Master oder Phd-Arbeit in diesem Bereich machen wollen. Auch hier handelt es sich wieder um ein Peer Education Programm, d.h. Studenten lernen, wie unser Programm funktioniert und ihre Aufgabe ist es, Mitstudenten oder Schüler für Wissenschaften zu begeistern und für Klimaveränderung zu sensibilisieren. Dadurch erschaffen wir greifbare Vorbilder.
Warum konzentriert ihr euch hier auf die schwarzen Studenten?
Es ist leider noch immer so, dass schwarze Studenten nach wie vor unterrepräsentiert sind, vor allem im wissenschaftlichen Bereich. Da hat sich leider trotz aller Begeisterung über den Umbruch nicht so viel getan im Bereich der Gleichberechtigung der großen Mehrheit der südafrikanischen Bevölkerung.
Gibt es also nach all den Jahren noch immer eine Ungleichbehandlung zwischen Schwarzen und Weißen?
Das ist immer abhängig, wo man hinschaut und wie man hinschaut. Es gibt natürlich zum Glück keine Gesetze mehr, die eine Trennung vorantreiben, sondern eher das Gegenteil. Wenn man sich allerdings die Mitarbeiter in verschiedenen Firmen und Bereichen ansieht, dann sieht man es noch genau. Ich möchte hier das Beispiel eines Autohauses anführen: Verkäufer und Manager dort sind weiß, die kaufmännischen Angestellten sind colored (gemischt-rassig) und die Menschen, die putzen und niedrigere Tätigkeiten ausfuhren sind schwarz. Es geht also nach der Pigmentierung der Haut, welchen Job man ausübt. Das zieht sich schon in vielen mittelständischen Firmen durch. Ähnlich ist es auch in der Schule meiner Tochter: die Menschen, die wissenschaftliche Fächer und Sprachen unterrichten sind weiß, es gibt zwei colored Lehrer für den Bereich Musik und Kunst und die Leute, die putzen und kochen sind schwarz.
Allerdings sind Schwarze zumindest jetzt auch in der Mittelschicht vertreten, aber für die große Mehrheit hat sich nicht viel getan. Die Schere zwischen arm und reich hat sich in den letzten 20 Jahren leider hier sogar vergrößert.
Durch meine Tochter und das Sprechen der afrikanischen Sprachen, zum Beispiel Xhosa, habe ich auch gelernt, was „white male privilege“ bedeutet. Es ist für weiße nicht üblich diese Sprache zu sprechen und wenn ich mit meiner Tochter, um die ich mich hauptsächlich kümmere, in ein Restaurant gehe, dann werden wir behandelt wie Könige oder Nummer 1 VIPs, nur weil es für Männer weniger häufig ist, dass man sich um die Kinder kümmert und dann auch noch als Weißer die Sprache der Mehrheit der Bevölkerung spricht. Eine schwarze Mutter, sagen wir aus z.B. Nigeria, die auch (wie ich) fließend Xhosa sprechen lernte und sich auch (wie ich) als Elternteil um ihr Kind kümmert bekommt im Gegensatz zu mir keine VIP Behandlung.
Wie ist der Zugang zu Bildung? Ist dieser für alle gleich?
Nein, überhaupt nicht. Hier gibt es ja öffentliche Schulen und deren Qualität hängt stark davon ab, in welcher Gegend sie sind. Eine Staatsschule in einem Township ist immer noch sehr viel schlechter, als eine Staatschule in einem eher weißen Viertel. Da hat sich im Sinne von Chancengleichheit wenig getan. Allerdings weiß ich auch nicht, wie die Finanzierung hier gestaltet ist.
Wie ist der Lifestyle in Südafrika im Vergleich zu Deutschland?
Nun der Lifestyle der Mehrheit ist der in einer Blechhütte zu leben, um hier bei der Wahrheit zu bleiben. Mein Lifestyle ist glücklicherweise anders: ich wohne in einem schönen großen Haus in der Vorstadt, gehöre zum Mittelstand. Uns geht es gut und wir genießen die abwechslungsreiche Landschaft und die Natur. Orte, die man in der Freizeit besuchen möchte, sind nicht überlaufen und man bekommt auch immer einen Parkplatz. Allerdings natürlich auch wieder aus dem Grund, dass sich die große Mehrheit der Bevölkerung es nicht leisten kann, an schönen Tagen diese Orte aufzusuchen. Nicht zuletzt ist dies für mich auch eine große Motivation Südafrikanischen Jugendlichen mit unseren Programmen zu helfen eine bessere Ausbildung zu bekommen und mehr Geld zu verdienen.
Mit wem arbeitest du denn dann zusammen?
Ich habe mein Umfeld bewusst divers ausgesucht, denn in einem Land, in dem 10 % der Bevölkerung europäischer Abstammung sind und damit weiß, hat man schon ein komisches Gefühl, wenn diese unter sich bleiben wollen bzw. andere bewusst ausgeschlossen werden. Ich sage immer, ich treffe Menschen und dabei spielt die Hautfarbe überhaupt keine Rolle.
Wie spiegelt sich das in euren Workshops wider?
Ich würde sagen, dass das Geheimnis des Erfolges unserer Workshops genau darin liegt die schwarze Bevölkerung, deren Kultur, Sprache und Musik zu respektieren und einzubeziehen. Kultur am Arbeit -und Studienplatz ist leider immer noch sehr von Weißen dominiert. Insgesamt ist es aber schwierig genau den Finger darauf zu richten. Meiner Erfahrung nach werden weiße und deren Kultur noch immer bevorzugt oder zumindest wird ihnen mehr Wohlwollen entgegengebracht: sei es in Bezug auf Essen, Musik oder der Respekt für ihre Feiertage, wohingegen schwarze oder muslimische Kultur eher ausgegrenzt wird, wenn auch subtil.
Was sind deine Pläne für die kommende Zeit?
Unser Ziel ist es natürlich auch eine bessere Finanzierung zu erhalten. Da wir in Deutschland ja jetzt auch eine noch klimabewusstere Regierung haben und es wohl ein Versprechen gibt, dass Deutschland Südafrika hilft klimaneutral zu werden, bin ich jetzt bemüht mit verschiedenen Stellen dort ins Gespräch zu kommen. Die nächsten 2 Jahre werde ich mich daher vermehrt der Finanzierung widmen und das Schulprogramm ausarbeiten. Wir müssen Südafrika in die vierte industrielle Revolution, d.h. in die Service, Dienstleistungs- und Wissenschaftsindustrie führen, so dass mehr Menschen Lösungen anbieten und die Arbeit der Bevölkerung zugutekommt und ihnen ermöglicht ihr Potenzial einzubringen. Junge Leute in Südafrika sollen merken, dass Wissenschaft cool sein kann, Spaß macht, und Lösungen bietet für gegenwärtige und zukünftige Probleme, wie dem Klimawandel soweit ein gutes Einkommen bringen kann.
Anm. JG: Für die Förderung der Plätze von schwarzen Studenten kann auch hin – und wieder ein deutscher Student teilnehmen und das Angebot nutzen. Bewerbungen bitte an den unten aufgeführten Link senden.
Ich möchte Peter an dieser Stelle noch einmal danken für das inspirierende und erfrischende Interview, das Hoffnung macht und jeden von uns dazu anregen sollte seinen Traum zu leben und wir jeden Tag versuchen sollten die Welt ein bisschen besser zu machen.
Hier noch einmal die Links für Spenden oder Anfragen zur Zusammenarbeit:
Flyer von Workshops des Studentenprogramm
VulaYouthDevelopment Facebook Seite
Habitable Planet Workshop Facebook Seite
Auswandern nach Südafrika aktuell - Infos zur Einwanderung (auswandern-info.com)